Pirat_HF_Latte

Lattenpirat Arche Loa

Unser hölzerne Lattenpirat “Arche Loa” ist ein Meisterbau der Abeking & Rasmussen Werft bei Bremen, Baujahr 1954. Damit wird unser Pirat 2024 stolze 70 Jahre alt. Sie wurde nach dem Lattenjünger Lothar Assmann, der maßgeblich an der Suche und dem Kauf des Bootes 1960 beteiligt war, benannt.

Über die Jahre wurde das Boot leider trotz vieler (kleinerer) Refits reparaturbedürftig, sodass es nach der Segelsaison 2021 in eine Werft nach Kiel gebracht wurde. Leider stellte sich vor Ort heraus, dass doch weitaus mehr kaputt gegangen war, als vorher gedacht, daher reichte das Geld nicht aus um den Piraten gänzlich wiederherzustellen.

Nachdem lange Überlegt wurde, was nun mit der “Arche Loa” geschehen soll, wurde sich 2023 dafür entschieden den Piraten selbstständig zu Ende zu reparieren. Damit auf Spaß auf dem Wasser in der Zeit des Refit nicht verzichtet werden muss, hat seine EXExcellence Sascha Küster (OXOX) im Frühjahr 2023 dem Verein ein zweites Segelboot, der Lattenconger “Michel”, gespendet.

Für die Unterstützung beim Refit bitten wir um Spenden an:

Heylige Frawe Latte e.V.
DE37 2075 0000 0091 5411 36
NOLADE21HAM
Verwendungszweck: Spende Arche Loa

Für eine Spendenquittung (ab 50€) schreiben Sie bitte eine Mail an
hok@hf-latte.de.

Die Geschichte der "Arche Loa"

Auszug aus der Lattenchronik

Im Winter 1959/60 kam auch in Hannover, offenbar nicht zum ersten Mal, der Gedanke auf, ein latteneigenes Segelboot anzuschaffen. Der Antrieb zu diesem Vorhaben kam vor allem von Lothar Assman. Zu seinen Beweggründen schrieb er:

“Der Wunsch nach einem fachschaftseigen Segelboot entsprang zunächst meiner eigenen Freude am Segelsport. Eine Umfrage ergab dann, daß ich durchaus mit meiner Begeisterung nicht allein dastehe.[…] Pläne meiner Vorgänger scheiterten an der Sorge um die Finanzierung und spätere Wartung des Bootes. Es ist zweifellos ein Wagnis, da die Wartung und Beaufsichtigung von der freiwilligen Bereitschaft unserer Kommilitonen abhängt.”

Doch nicht alle waren von der Idee so begeistert wie er selbst. In der Lattenchronik schreibt Assmann darüber:

“Der Plan, für die Latte ein Segelboot anzuschaffen, stieß bei den Amtsbrüdern und Amtsvorgängern auf starke Ablehnung. Man äußerte schwere Bedenken wegen der Verantwortung für ein wirklich teures Objekt, die dem Ordenskapitularium aufgebürdet würde. Aber ein eingefleischter Freund des Segelsports kann sich nicht vorstellen, daß sich nicht stets ein Segelfreund in jeder studentischen Generation finden sollte, der gerne die Last und die Verantwortung der Überwachung und Pflege eines Bootes übernimmt. So blieb der Ordensmeister bei der Durchführung seines Planes, auch wenn er nun die gesamte Last der Arbeit allein auf sich nehmen mußte.”

Doch weder die Organisation noch die Finanzierung noch der Bootstyp war klar, so daß bei verschiedenen Leuten um Rat gefragt wurde. Darunter war auch Curt W. Eichler, bekannter Bootskonstrukteur, Schiffbauingenieur und Buchautor aus Wedel/Holst., an den Assmann am 6. April schrieb:

“Die Hoffnung, vielleicht ein neues Klassenboot für die Latte anschaffen zu können, habe ich bereits begraben.[…] Dabei geht meine Ansicht dahin, daß mir für die Latte ein gut erhalteneres Schulboot lieber ist, als ein schlechtes Klassenboot. Der Wunsch, auch an Regatten teilzunehmen, steht erst an zweiter Stelle.”

Eichler schreibt sehr herzlich zurück:

“Lieber Fachgenosse, lieber angehender Kollege Assmann! […] Segeln ist schön, für den angehenden Schiffbauer außerdem noch sehr nützlich.” Er merkt an, daß der Gebrauchbootmarkt für Jollen ja recht groß sei, weil der Regattasegler “ja immer und immer wieder neue erfolgversprechende Boote der betr. Klasse kaufen wolle oder müsse” und berichtet weiterhin, daß “ein Mann namens Ernst Dieter Silberling, Blankenese, Süllbergterrasse 8, seinen Piraten samt Zubehör für 1400,- DM verscheuern will.”

 

Aber schließlich wird weder aus diesem Geschäft, noch aus einem zweiten Anlauf etwas. Assmann wird sich klar darüber, daß es in diesem Jahr wohl nichts mehr mit dem Segeln im eigenen neuen Boot werden würde und möchte nun auf das größere Angebot im Herbst warten. Unterdessen läuft die Beschaffung der nötigen finanziellen Mittel auf Hochtouren. Ordensmeister Assmann schreibt Spendenaufrufe an ehemalige Lattenjünger:

 

“Hochlobelicher freund uond goenner

unzerer HEYLIGEN FROUWE!

 

Auch diu si hiute kund gegeben diu wîsheit neue unzerer Heyligen Frouwe, welche sie einem amthyrenden Hêren Ordenskapitularium ze Hannover vor begin eines neuen tages nach wonegliucher naht ofenbaret hat.[…]

Es si hohe zeit, – wir muoget niht lange me warten -, unde zum Troest unde föude in boot for wind uende water ûf diu Maschsee ze legen.[…]

Dar umbe gê hiute unzere bit in ale lant unz ze helfe mit grôze uende kleine spenden! Allin dinen, diu geben golt ône mâze, diu si danc im name alen volces!

 

Eyn dezeit amthyrenden Hêres Ordenskapitularium der HEYLIGEN FROUWE LATTE ze Hannover.

 

Dieser Brief wurde aber von einigen Empfängern nicht besonders gut aufgenommen. So antwortet Dipl.-Ing. Wolfgang Leuckfeld aus Wentorf:

 

“Hohes Ordenskapitel!

 

Ich habe Euren Brief bezüglich Beschaffung einer Segelyacht dem Kurmarkgrafen, Herrn Lempelius, zur Besprechung auf dem letzten Lattenabend in Hamburg zugesandt, und möchte Euch, um die Sache zum Erfolg zu bringen, folgendes raten:

 

Euer Brief ist sehr originell, aber selbst für alte Lattenschweine unverständlich.

 

Wenn man von jemand etwas haben will, muß man einen Brief so verfassen daß dieser denselben auch lesen kann. Schreibt daher in allgemein verständlichem Deutsch! […]”

 

Darauf Assmann am 18. Juli:

“Etwa 60 ehemalige Lattenjünger erhielten einen Brief in verständlichem Hochdeutsch. Die Reaktion war aber so kläglich, daß ich vermutete, meinem Brief fehle die nötige Originalität. So bekamen weitere 15 Herren einen Brief, wie Sie ihn auch erhalten haben. […] Es blieb aber weiter bei dem Nichts.”

Er fügt hinzu: “Der wahre Grund, warum man uns nicht unterstützen will, kam mir sehr bald zu Ohren Man hat uns kritisiert, daß wir uns ein Boot kaufen wollen. Zweifellos hätte man es lieber gesehen, wenn wir das Boot selber gebaut hätten. Das ist aber bei den heutigen Anforderungen durch das Studium einfach unmöglich. Dazu gehen noch die Schiffbauer nach dem Vorexamen nach Hamburg, und so bleibt die Haupt-Lattenarbeit an den Schiffsmaschinenbauern hängen. […] Sollte man in Stammtischkreisen allein in der Art der Bootsbeschaffung eine Begründung für die ablehnende Haltung sehen, dann würde ich das sehr bedauern. Ich bin der Auffassung, daß das Geld einem wertvollen Zweck zufließt. Ein Boot dürfte durchaus geeigneter als Bier sein, den Zusammenhalt in der Latte zu verbessern.”

 

Aufgrund der mäßigen Spendenbeteiligung von Seiten der Ehemaligen sieht sich Assman gezwungen, bei der Industrie um Spenden zu bitten. Diese fließen auch nach der Anschrift von 93 Firmen recht ordentlich. Angeschrieben wurde alles, was in der Schiffbauindustrie Rang und Namen hatte. Und nicht nur da – ein Auszug aus der Spenderliste zeigt, wo man, abgesehen von Professoren und Studenten, im Deutschland der Wirtschaftswunderzeit überall Geld herbekommen konnte:

 

Vor allem zeigen die Spenden der Hochschulleitung und der Professoren, daß das Projekt auch von jener Seite gerne gesehen wurde.

 

Im Herbst 1960 waren also mindestens 2500 DM zusammengekommen, so dafl

in  der Zeitschrift “YACHT” eine kleine Anzeige: “Pirat oder Boot ähnlicher Größe, gut erhalten, sucht Latte Hannover, Technische Hochschule”.

Hier taucht zum ersten Mal der gewünschte Bootstyp auf. Die Wahl der Piratenklasse ist nicht weiter verwunderlich, denn das offizielle Jugendboot des Deutschen Segelverbandes erfreute sich höchster Beliebtheit und damit auch Verbreitung, was die Auswahl auf dem Gebrauchtbootsmarkt erheblich vergrößerte.

 

Auf diese Anzeige gingen insgesamt 13 Zuschriften ein. Der größte Teil der angebotenen Boote waren Piraten, von 11 Jahre alt bis neu, in der Preislage von etwa 1400 – 3100 DM.

Frl. Jutta Feldhoff aus Wuppertal-Barmen schrieb:

“Mein Boot ist ein Meisterbau von Abeking & Rasmussen, Baujahr 1954. Es ist auch heute noch in bestem Zustand und ganz mit Kunstharzlack lackiert. Das Unterwasserschiff ist aalglatt und in Kupferbronze. Sämtliche Wanten und Drähte sind aus nichtrostendem V2A-Material und ganz neu. Weil ich mich an vielen Regatten beteiligt habe, gehören auch eine ganze Reihe von Sonderteilen und Extras dazu, z.B. ein Holzruder, ein Aluschothorn, Reitbalken, für die Schotführung nur Tuftnohlblöcke, eine Perlonleine und eine Baumwolleine. Ich habe mein Schiff in jedem Winter  neu überholt und wieder in den bestmöglichen Stand gebracht. Daher bin ich mit dem Schiff sehr erfolgreich gewesen und habe immer Preise bei Wettfahrten gemacht. […] Die Besegelung besteht aus einem Satz Mählitz Baumwollsegel und einem fast neuwertigen Meyer Dacron-Segel aus USA.”

 

Ob nun das Boot von Frl. Feldhoff wirklich ein so überragendes war, daß weitere Besichtigungen nicht mehr in Frage kamen, oder ob Frl. Feldhoffs gewinnende Persönlichkeit der ausschlaggebende Faktor war, kann – ohne Befragung der betreffenden Personen oder etwaiger Zeugen – nicht mehr beantwortet werden und mag dahingestellt sein.

Der liebenswürdige Briefwechsel zwischen Jutta Feldhoff und Lothar Assmann reißt jedenfalls nicht ab. In einem Brief vom 5.November lesen wir:

 “Daß Sie Ihr Boot mit Vertrauen in unsere Hände übergeben, freut mich sehr. Jedenfalls solange ich hier studiere, können Sie gewiß sein, daß ich alles in meinen Kräften stehende tun werde, um das Boot in Schwung zu halten. Schließlich ist es nach Überwindung vieler Widerstände sozusagen zu ‚meinem Kind’ geworden. Allerdings bin ich mir auch über die kommenden Schwierigkeiten eines Segelbetriebes – 60 Mann oder mehr auf 1 Boot – im klaren. Vielleicht können Sie mir, die Sie sicher auch die Vereinssegelei kennen, mir guten Ratschlägen zur Seite stehen. […] Seien Sie mir bitte nicht böse, wenn ich diesmal nur Ihren Herrn Vater zum Ordensfest einlade. Das ist nun mal ein Fest, bei dem die Damen – mit ganz seltenen Ausnahmen – ausgeschlossen bleiben.”

Der Kaufvertrag wurde am 1. November ausgefertigt und beinhaltet außer dem Boot und den Segeln samt Rigg noch umfangreiche Zubehörteile.Die meisten dieser Ausrüstungsgegenstände sind auch heute noch vorhanden.

 

Bis zum Frühjahr 1961 lag der neugekaufte Latten-Pirat noch in der Halle in Wuppertal – auf Gefahr der Studenten, versteht sich. Die Bootstaufe für die Neuerwerbung wird nach langem Hin- und Herüberlegen angesetzt für den 15. April 1961. Doch was ist nicht vorher alles zu bedenken! Lothar Assman schreibt in einem Brief an Jutta Feldhoff vom 28.3.:

“Leicht war es allerdings nicht, einen Liegeplatz ausfindig zu machen. Sämtliche Segel-Clubs haben uns abgewiesen. Nun haben wir einen Mietplatz bei einem Bootsvermieter in Steinhude ergattert. Hoffen wir, daß diese Notlösung ein einigermaßen guter Griff war.”

In Anbetracht der Tatsache, daß das Boot die nächsten 24 Jahre bei diesem Bootsvermieter, der heute noch existierenden Firma W. Grages, liegen sollte, war es wohl ein recht guter Griff.

Dann muß eine Genehmigung zum Befahren des Steinhuder Meeres beantragt werden. Dafür ist nach wie vor die Fürstliche Hofkammer in Bückeburg zuständig, auch wenn das Fürstentum Schaumburg-Lippe schon lange nicht mehr besteht. Mit der Anmeldung tun sich die Behörden schwer, da der Eigentümer des Bootes “weder eine Einzelperson, noch ein eingetragener Verein, noch eine studentische Verbindung, sondern lediglich eine Interessengemeinschaft von Studenten” ist, wie Assman am 24.Mai an den Landkreis Schaumburg-Lippe schreibt. Außerdem muß das Boot noch von einem amtlichen Sachverständigen auf seinen betriebssicheren Zustand hin überprüft werden. Zum Glück ist dies alles nur einmal notwendig, in den späteren Jahren sieht die Fürstliche Hofkammer – und ab 1973 das Domänenrentamt Nienburg/Weser – nur noch darauf, daß die jährliche Gebühr von anfänglich 40,- DM, später 50,- DM bezahlt wird.

 

Taufpatin sollte die Tochter Barbara Se. Bensonität Illies, später Frau Binder, werden. Sie mußte dazu allerdings erst noch selber getauft werden. Mit den ererbten Genen ihres Vaters war sie auch dazu bereit. Diese Taufe fand dementsprechend als erstes unter Beachtung aller notwendigen Rituale statt, bevor dann der eigentliche Täufling, das Lattenboot, auf den Namen “Arche Loa” feierlich getauft wurde. Der Einsatz Lothar Assmanns als Leiter des Referats für Bordpraxis, als Ordensmeister und als Beschaffer der Gelder für das Boot wurde damit gebührend gewürdigt. Mit Labskaus-Essen (nach einem Rezept von Prof. Illies) und mehreren Jungfernfahrten des neuen Bootes klang der Tag aus.

 

In den folgenden Monaten wird die “Arche Loa” sehr ausgiebig genutzt, so daß am Ende des Jahres 63 Fahrten zusammenkamen, darunter auch eine Teilnahme an der Steinhuder-Meer-Woche. In einem “Bericht über die Segelsaison 1961”, der im November d. J. von Lothar Assmann an alle Geldspender geschickt wurde; kann man lesen:

“Obwohl wir mit einem für heutige Begriffe viel zu schweren Boot anfangs nicht konkurrenzfähig erschienen, zeugen zwei kleine Silberbecher von einem 7. und einem 9. Platz, bei einem Feld von 23 bzw. 42 Booten.”

Jeder Bootsbenutzer mußte zunächst eine Zulassungskarte gegen eine einmalige Gebühr von 5,- DM erwerben. Das Segeln kostete dann weiter 2,- DM/Stunde bzw. 10,- DM für einen Tag. Diese Gebühren wurden in den Semesterferien für die in Hannover verbliebenen Studenten auf 8,- DM/Tag ermäßigt. Als günstig hat sich die Einführung eines Kentergeldes von 15,- DM erwiesen, denn es gab laut Assmann in den ersten 6 Segelmonaten “keine zu vermeiden gewesenen Schäden.”

 

Tatsächlich ging aber eine ganze Menge kaputt. Im Logbuch ist erwähnt, daß gleich auf der Jungfernfahrt ein Bodenbrett und die Gabelpinne angebrochen waren. Auch die Persenning riss mehrmals ein und wurde wieder repariert, eine Klampe am Mast und eine an Deck rissen heraus und mussten neu befestigt werden. Der während der Regatta beschädigte Großbaum wurde von der Versicherung ersetzt. Nach der letzen Fahrt am 10. Oktober kam das Boot aus dem Wasser und wurde im Winterlager erst einmal generalüberholt.

Der neue Bootswart ist Friedrich Wragge. Er schreibt ins Fahrtenbuch:

“Gesamtes Boot bis aufs Holz abgezogen. Innen zwei Lackanstriche. Bilge geölt und ein Anstrich mit Imprägnierungsmittel Unterwasserschiff geölt, Anstrich mit Grundierungsfarbe und Kupferbronze (2x). Deck und Seite vier Lackanstriche. Zwei Bodenwrangen erneuert. Klampe am Mast befestigt. Ruderblatt und Schwert haben einen Unterwasseranstrich bekommen. Mast, Baum und Bodenbretter abgezogen und lackiert.”

So ein Aufwand ist für ein neu gekauftes, wenn auch gebrauchtes, so doch prinzipiell guterhaltenes und nicht preisgünstiges Boot recht erheblich. Mitte Mai 1962 geht die “Arche Loa” in ihre zweite Saison. Das Boot wird weiterhin gut angenommen und bis zum 2. November werden insgesamt 73 Fahrten verzeichnet. Die Bilanz der Segelkasse ist ausgeglichen.

 

Die gesamten 60er und 70er Jahre hindurch wird das Boot ausgiebig benutzt, trotz des Umstandes, daß jedesmal die etwa 30 km lange Fahrt nach Steinhude zu bewältigen war. Um die “Arche Loa” leichter erreichen zu können, wurde vom Komthur Heptner, weiland Assistent bei Se. Steifigkeit Hansen, ein Motorrad der “LATTE” geschenkt, welches unter Ausschlachtung anderer ähnlich alter Feuerstühle noch lange seinen Dienst tat.

 

Am Boot sind öfter kleinere und größere Reparaturen fällig, im Fahrtenbuch liest man regelmäßig, daß am Anfang der Saison das trockene Boot erst einmal absoff und es einige Tage dauerte, bis sich die Plankennähte schlossen. Doch es fand sich tatsächlich immer ein eifriger Lattenjünger und Segelfan, der sich mit mehr (oder auch mal weniger) Begeisterung an die Aufgabe des Bootswartes machte.

 

Eine Posse bezüglich der falschen Nutzung eines Liegeplatzes der Lattenjolle am Steinhuder Meer erheiterte die Lattenjünger im Sommer 1983. Es begann mit einem Schreiben vom 21.7.83:

 

“Sehr geehrter Herr Latte!

 

Als ich am 16.7.1984 zum Steinhuder Meer kam um zu segeln, mußte ich feststellen, daß mein Boot nicht an seinem Liegeplatz, sondern an der dahinterliegenden Böschung lag. Bei meinem gestrigen Besuch dort bemerkte ich, daß Sie mit Ihrer Jolle widerrechtlich meinen Liegeplatz benutzen.

 

Am 17.Juni 1983 ließ ich meine Jolle zu Wasser und vertäute sie ordnungsgemäß auf meinem Liegeplatz Nr. 205. Zu diesem Zeitpunkt war da Boot völlig neu überarbeitet und frisch gestrichen. Heute wachsen an der Steuerbordseite die Ranken hoch, das Deck ist in einem fürchterlich schmutzigen Zustand, das Heck sowie die Backbordseite sind mit Zigarettenbrandflecken verunziert. Ebenso ist die Persenning von einer Zigarette durchlöchert worden.

 

Ich fordere Sie hiermit auf:

 

A.            Das Boot wieder an seinen Liegeplatz zu legen.

B.            Den Außenanstrich zu säubern, und die Brandflecken zu beseitigen, so daß der frisch gestrichenen Zustand wieder hergestellt ist.

C.           Die Persenning zu ersetzen.

D.           Mir einen Gastliegebetrag von DM 273,- (pro Tag DM 3,-) für die Zeit vom 1.5.83 bis zum 30.7.83 zu überweisen

 

Ich setze Ihnen hiermit eine Frist bis zum 30.7.83, um mein Boot in ordnungsgemäßen Zustand (wie in Punkt 1 – 4 beschrieben) an seien Liegeplatz zu bringen. Sollte die Angelegenheit bis zu diesem Zeitpunkt nicht zu meiner Zufriedenheit erledigt sein, werde ich die Sache meinem Rechtsanwalt übergeben.

 

Hochachtungsvoll (Kläger)”

 

Es setzte ein reger Schriftverkehr ein. Natürlich war sich die “LATTE” keiner Schuld bewußt, entschuldigte sich aber, säuberte das Boot und vertäute es ordnungsgemäß am Liegeplatz 205. Finanzielle Mittel wurden aber nicht überwiesen. Ein Lattenjünger, dessen Vater Rechtsanwalt war, erkundigte sich bei diesem und fand heraus, daß der Kläger wohl im Recht sei. Die Strategie sollte so gestaltet werden, daß kein Anwalt ins Spiel kommt und möglichst wenig zu zahlen sei. Der Kläger war jedoch sehr ungeduldig und mit Schreiben vom 22.8.83 ging von seinem Anwalt eine Forderung über Reparaturkosten und Liegeplatzgebühr in Höhe von DM 639,80 zuzüglich DM 78,66 Anwaltsgebühren ein.

In einem Schreiben an den Dekan der Universität Hannover bittet der Anwalt um Informationen, “in welcher Rechtsform die vorgenannte Fachschaft firmiert. Wie lautet das zutreffende Passivrubrunm der Fachschaft, wer sind die vertretungsberechtigten Personen. Da leider der Korrespondenzbogen der Fachschaft diese, nach dem Gesetz notwendigen, Angaben nicht enthält, bitte ich um Aufklärung”.

 

Der weitere Schriftwechsel gestaltete sich derart, daß um die zu zahlende Summe eifrig gefeilscht wurde. Es half alles nichts, um einen Rechtsstreit abzuwenden, mußte die Latte dem Kläger bis zum 5.11.1983 Geld überweisen und tat dieses auch, um “diesen Quell der Heiterkeit durch die Zahlung von DM 350,- versiegen zu lassen”. Zudem wurden Anwalt und Mandant zum nächsten Ordensfest eingeladen, es ist allerdings nicht bekannt, ob sie auch erschienen.

 

Auch den Umzug von Hannover nach Hamburg 1984 überstand die “Arche Loa” gut. Auf der Alster fand sie eine neue Heimat am Steg des Segelbootshauses der Universität. Zwar ist die Alster wesentlich kleiner als das Steinhuder Meer, aber dafür ist der Weg vom Institut zum Boot nur kurz, so daß auch einfach nur eine Stunde Segeln zwischen zwei Vorlesungen möglich ist. Doch Anfang der 90er-Jahre lag die “Arche Loa” in traurigem Zustand im “Doppelboden” in der Schule Lämmersieth 72. Der kaputte Schwertkasten war ausgebaut, eine dicke Staubschicht lag auf dem Boot. Da kamen die drei Lattenjünger Jan Rüde, Alexander Stahl und Ivo Beu auf den Gedanken, wie schön es doch sein müßte, damit auf der Alster zu segeln, und beschlossen, den Piraten wieder flott zu machen. Über Jan Rüdes Vater bekamen sie Kontakt zum Verein “Jugend in Arbeit” in Harburg, der die Beschäftigung von Arbeitslosen, insbesondere Jugendlichen, und deren berufliche Qualifizierung fördert. Die dort beschäftigten Bootsbauer wollten gern bei der Renovierung des Bootes behilflich sein. Ein neuer Schwertkasten wurde eingebaut, einige Planken ausgetauscht oder neu befestigt.

 

Ein anderer Student hatte mittlerweile einen gebrauchten Alumast aufgetrieben, der das alte und pflegeintensivere Holzrigg ersetzte, und nach seiner Fertigstellung war das Boot wieder segelklar. Ein Liegeplatz wurde wiederum am Segelbootssteg der Universität gefunden.

 

Und dort liegt die “Arche Loa” nach wie vor und wird auch im 41. Jahr, nachdem Lothar Assmann sie für die Heilige Frau Latte beschafft hatte, fleißig genutzt.